Geschichtswerkstatt hat den Dreh raus

Die Dokumentarfilmgruppe der Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl besuchte das Stadtarchiv Bensheim, ausgerüstet mit Handykameras und etlichen Fragen zur Geschichte des Kaufhauses GANZ.

„Geschichte mal anders erleben“, so könnte man das Motto der Dokumentarfilmgruppe umschreiben, die seit einigen Jahren das Angebot der Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl um eine weitere Dimension bereichert. Bei ihrem Drehtag im Stadtarchiv Bensheim präsentierten Archivleiterin Claudia Sosniak und ihre Kollegin Ingrid Krämer-Wick den jungen Gästen einige Kostproben ihres Erinnerungsschatzes zur Bensheimer Stadtgeschichte, der in alten Adressbüchern, Brandkatastern, Meldekarten, Gewerbetagebüchern, Fotos, Bauzeichnungen und Mikrofilmen gespeichert ist. „Ich war noch nie in einem Archiv“, meinte Johanna, und freute sich, als sie die Gelegenheit erhielt, einen Blick in die engen Regalreihen des Magazins zu werfen und die Fotosammlung eigenhändig durchsuchen zu dürfen. „Hier dürfen normalerweise keine Besucher rein“, erklärte Claudia Sosniak. Anders als in einer Bibliothek handelt es sich bei den Archivalien meist um Unikate, die daher langfristig geschützt und bewahrt werden müssen, damit sie auch noch nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Das wurde auch Finn bewusst, als er sich die weißen Handschuhe überzog, um eigenhändig das Melderegister durchsuchen zu dürfen. Immer mit dabei war Kamerafrau Ada, die nach den besten Einstellungen und Motiven für ihre Handykamera suchte und zwischen all den Kartons, Bildern und Büchern schnell fündig wurde.

Die Aufnahmen sollen Teil eines Dokumentarfilms zur Geschichte des Bensheimer Kaufhauses Ernst Ganz werden, das seit 1936 als Familienunternehmen bereits in dritter Generation geführt wird. Weniger bekannt ist, dass die Tradition des Kaufhauses fast vierzig Jahre weiter zurückreicht und eigentlich auf jüdische Vorbesitzer zurückgeht. Die letzten jüdischen Besitzerinnen, Sophie Jacoby und ihre Nichte Else Schwabacher, sahen sich aufgrund der antijüdischen Gesetze und der permanenten Hetze gegen Juden gezwungen, ihr Kaufhaus im Jahre 1936 unter Wert an die Karlsruher Kaufleute Ernst Ganz und Karl Birkenmeier zu verkaufen und zusammen mit ihrer

Familie, die eigentlich aus Memmingen stammte, das Land zu verlassen. Die Familie war nun auf die Aufnahmebereitschaft anderer Länder angewiesen und musste sich trennen. Stationen ihrer Flucht waren Frankreich, Palästina, Südafrika und die USA. Sophie Jacoby, Else Schwabacher, deren Eltern und vier ihrer Geschwister überlebten den Holocaust, Elses jüngster Bruder wurde in Frankreich verhaftet, deportiert und in Auschwitz ermordet.

Das Thema „Kaufhaus Ganz“ beschäftigt die Geschichtswerkstatt schon seit nunmehr fünf Jahren, als die verantwortlichen Lehrkräfte Frank Maus und Peter Ströbel im Februar 2019 von der Firma Kaufhaus Ernst Ganz GmbH den Auftrag erhielten, die Geschichte des Kaufhauses mit ihren Schülergruppen aufzuarbeiten. Doch dann kam Corona und brachte das Projekt zwischenzeitlich beinahe zum Erliegen. Diesen Herbst wird nun eine umfassende Dokumentation zur Geschichte des Kaufhauses Ganz erscheinen. Außerdem geplant ist eine Stolpersteinverlegung für die neun Familienmitglieder der Familie Jacoby/Schwabacher, für die die Stadt Bensheim die Schirmherrschaft übernommen hat. Premiere des Dokumentarfilms ist dann voraussichtlich der Scholl-Gedenktag, der jedes Jahr anlässlich des Todestages von Sophie und Hans Scholl (22.2.) an unserer Schule als Projekttag für alle Klassen und Jahrgangsstufen begangen wird und zahlreiche Angebote zum Thema Erinnerungskultur und Demokratielernen bereithält.

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